Leserbrief im EISSPORT-MAGAZIN von Ulrich Giesen zum Thema: Steckt der Eiskunstlaufsport in der Kriese?

1.5.2003 Dr.Sepp Schönmetzler - Chefredakteur und Herausgeber des EISSPORT-MAGAZINS - schreibt an Ulrich Giesen (Vorstand des NSK`s) auf dessen eMail:

"Hallo Herr Giesen, das angesprochene Thema interessiert mich und ich würde gerne den von Ihnen geschriebenen Artikel veröffentlichen. Ihre oben geschilderte Meinung kann ich nur unumwunden bestätigen und ich finde Ihre Denkweise absolut richtig. Allerdings habe ich schon viele Ansätze zu solchen Aktionen (auf der Übungsleiter- und Trainer-Ausbildungsebene, mit einer Serie von fast 100 Spielfesten auf dem Eis in ganz Westeuropa, Moderierte Breitensport-Events auf dem Eis mit und ohne Prominente, u.v.a) getätigt, auch im EISSPORT-MAGAZIN, nur die Reaktion von offizieller Seite ging gegen Null - zumindest bei der DEU und den Landesverbänden. Man ist dann auf Eigeninitiative angewiesen und muss hinnehmen, dass diese Aktionen nicht von der DEU aufgegriffen werden, um alles weiter zu entwickeln. Den Leuten fehlt einfach der Fachverstand und die Fähigkeit, gute Aktionen anzuerkennen, wenn sie von anderen kommen."

 
Hallo Herr Dr. Schönmetzler,
 
in Ihrem Magazin schreiben Sie ständig, dass der deutsche "Eiskunstlaufsport am Boden liegt". Ganz so schlimm sehen wir dies zwar nicht so, denn die Popularität dieses Sports hängt nach unserer Meinung nicht nur von 4 - 9 Platz Plazierungen bei WM`s oder olympischen Spielen ab.  Wenn dies alleine nur zählen würde, dürfte sich in Deutschland keiner für Golf interessieren - denn da gibt es keine deutschen Spitzen-Golfer.
 
Aus unserer Sicht liegen die Probleme heute z.Tl. schon auf regionaler und örtlicher Ebene: Viele Vereine stöhnen unter Mitgliedermangel und haben z.Tl. mit nur 30 - 60 aktiven sporttreibenden Kindern überhaupt keine Breitenwirkung und der Eiskunstlaufsport wird dann logischerweise in Deutschland nicht beachtet und nicht wahrgenommen. Wenn aber nicht genügend Quantität in den Vereinen vorhanden ist, gibt es einerseits auch nicht genügend förderungswürdige Talente (um die gewünschte Spitzen-Qualität hieraus zu selektieren) und andererseits fehlt dann auch die eislaufbegeistere Masse (um das Eislaufgeschehen als aktives Publikum bzw. als Fans zu begleiten).
 
Ist es nicht bezeichnend, wenn gemeldet wird, dass bei einer Deutschen Meisterschaft in Oberstdorf oder beim Cool-Jump-Wettbewerb in Erfurt gerade jeweils einmal mickrige 300-400 Zuschauer anwesend waren - und hiervon auch noch überwiegend Funktionäre bzw. Begleitpersonen - also alles nur Inzucht. Bei so wenig Resonanz verliert der Eiskunstlaufsport somit logischerweise jegliches Zuschauer- und Medieninteresse und die ISU-Aufkündigung des Gelsenkirchener-Grand-Prix ist hier nur die Spitze des Eisberges. 
 
Wenn wir in Deutschland derzeit nicht mit Weltmeistern glänzen können - dann muss der Eiskunstlaufsport eben vorübergehend (wenn man ihn nicht nur "totverwalten" will) mit anderen Attraktionen und Events in die positiven Schlagzeilen kommen.
Z.B. in Kanada, USA, Frankreich, Schweden usw. gibt es mittlerweile riesige Event-Spektakel, vor ausverkauften Eishallen und mit großer Medienberichterstattung rund um internationale Synchron-Eiskunstlauf-Wettbewerbe - die DEU hat es bis heute aber noch nicht einmal geschafft hier überhaupt einen internationalen SYS-Wettbewerb auf die Beine zu stellen.
 
Wenn man an publikumswirksame Schaulauf-Veranstaltungen denkt, fällt einem oft nur Holiday-On-Ice oder Disney-on-Ice ein - attraktive, indirekt den Sport fördernde Schaulauf-Veranstaltungen (Ausnahme: Stars-on-Ice) z.B. auf regionaler oder Landesebene gibt es eigentlich nicht.
 
Auch dumme Vereins-Pokal-Wettbewerbe werden immer unattraktiver, Meldungen sind rückläufig, fallen aus .... und versanden.
Man sagt einerseits, dass der "Fisch vom Kopfe her stinkt" - betrachtet man aber heute diese Sportart in den Vereinen, in den Ländern und auf Bundesebene, dann "stinkt hier nicht nur der Kopf".
 
Leider begleiten auch die beiden einzigen Presseorgane auf diesem Sportgebiet - die Pirouette und das Eissport-Magazin - dieses "eingeschlafene Verwalten" dieser Sportart (aus unserer Sicht) zuwenig kritisch und man zeigt zuwenig Schwachstellen und zuwenige Alternativen auf - z.Tl. erscheinen auch diese Magazine lediglich als Verwalter von Wettbewerbs-Resultats-Listen und als schönes Sportler-Bilderbuch.
 
Wir vom Neusser Schlittschuh-Klub (NSK) haben hier sicherlich nicht das "Ei des Kolumbus" erfunden und wollen auch nicht als Weltverbesserer gelten, aber wir wollen aufzeigen, dass es auf regionaler Ebene auch anders geht, wir streben auch keine Posten in der DEU usw. an: Der NSK z.B. ist ein Verein mit besonders vielen Mitgliedern und mit sehr geringen Mitgliedgebühren. Dank einer alle 2 Jahre stattfindenen Eis-Revue/Märchen-Aufführung ist der NSK finanziell gesund und kann sich auch einmal Experimente leisten. Durch das Märchen schaffen wir es, alle 2 Jahre die Neusser Eishalle 4-5 mal auszuverkaufen - d.h. das NSK-Märchen ist mittlerweile eine regionale "Eissport-Kultveranstaltung" geworden, die jedesmal über 10.000 Zuschauer anlockt. Der NSK ist nicht der sportliche Top-Verein, wir sind nur mittelmäßig - aber durch Events machen wir ständig auf uns aufmerksam und sind hierdurch regional bestens bekannt und bekommen so auch mittlere sportliche Erfolge in der Regionalpresse berichtet und sorgen hierdurch für den notwendigen Popularitäts-Kreislauf (siehe z.B. "der NSK in der Presse" auf unserer Homepage: www.NSK-Neuss.de): Z.B. Hatten wir im letzten Jahr eine 1-stündige Reportage im populären WDR-Kinderfunk "LILIPUZ"; das ZDF und RTL berichtete über unsere Eislauf-Jugendlichen, die im Umkreis in zig Städten die Eishallen für die Stiftung-Warentest testeten; zig Märchenberichterstattungen .... usw. sorgen außerdem dafür dass unser Sport in der Region bekannt und populär ist. 
 
Wir "leiden" lediglich darunter, dass in unserer nahen Umgebung, auf Landes- und auf Bundesebene ansonstemn alles "ruhig" ist. Mit dieser Hintergrund-Information möchten wir Sie motivieren, auch ggfs. andere aufzuwecken.
 
Gruß Ulrich Giesen 
Vorstand des Neusser Schlittschuh-Klubs e.V. - NSK 
 

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