Christina Beier und Tim Giesen belegen den undankbaren vierten Platz bei der Deutschen Meisterschaft 2009

22.12.2008 Die Deutschen-Meisterschaften des Jahres 2009 fanden vom 17.-21. Dezember, kurz vor Weihnachten im verschneiten Oberstdorf statt. Hier der Bericht vom Eistanz-Wettbewerb in der Meisterklasse.

Der Wettbewerb begann am Mittwochabend den 17.12.2008 mit den Pflichttänzen. Als erstes musste der „Finnstep“ demonstriert werden, ein neuer, sehr schwieriger Tanz in der Eistanzszene, der auch als Pflichttanz für die Europameisterschaft ausgewählt wurde. Es war nach dem Training schon klar, dass sich eine Gruppe von vier Paaren auf relativ gleich hohem Niveau bewegt und die Meisterschaft unter sich ausmacht. Alle Paare zeigten bei diesem ersten schwierigen Pflichttanz „Finnstep“ wie schwierig dieser neue Tanz ist, alle haten kleine Wackler, stolperten z.Tl. etwas bzw. kamen auch manchmal etwas aus dem Takt. Mit 14,60 Punkten führten dann die Favoriten aus Berlin und Sachsen, Nelli Zhiganshina und Alexander Gazsi, gefolgt von dem Dortmunder Geschwisterpaar Carolina und Daniel Herrmann mit 14.13 Punkten. Der Neusser Tim Giesen – jüngster des Wettbewerbs und gerade erst in die Meisterklasse aufgestiegen – kam mit seiner neuen Partnerin Christina Beier mit 13,31 Punkten auf Platz drei, gefolgt von den Berlinern Tanja Kolbe und Sascha Rabe mit 13,26 Punkten.

 

Der zweite Pflichttanz - ein Paso Doble - bestätigte dann die Reihenfolge: Zhiganshina/Gazsi erhielten weitere 15,96 Punkte, Herrmann/Herrmann 15,95 Punke, Beier/Giesen 15,09 und Kolbe/Rabe 14,80 Punkte. Das Feld der Top-Eistänzer lag also ganz dicht beieinander. Es war somit klar, dass wohl nur kleinste Fehler in den weiteren Wettbewerben die Entscheidung bringen würde.

 

Kati Winkler und Rene Lohse, WM-2004 Bronzemedaillengewinner und echte Pflichttanzexperten (beide hatten z.B. den Lehrfilm der ISU für den Finnstep erstellt), meinten hinterher, sie hätten die Reihenfolge exakt anders herum wie die offiziellen Preisrichter gesehen. Auch der international erfahrene Ulf Denzer (u.a. Leiter der Eistanzkommission der DEU) meinte, er hätte bei diesem Wettbewerb Tim Giesen und Christina Beier auf Platz eins gesetzt. Die erst später zugänglichen Ergebnislisten mit den Einzelbewertungen der 7 Preisrichter zeigten, dass es hier anscheinend keine einheitlichen Bewertungen gab - z.B. hatten die Preisrichter Dr. R.Pipoh aus Düsseldorf  und J.Lucas aus Hamburg  Chrisina Beier und Tim Giesen beim Finnstep auf Platz eins gesetzt.

 

Am Donnerstag folgte dann der Originaltanz-Wettbewerb. Tim Giesen und Christina Beier, die sich als ehem. 3-fache Deutsche Meisterin noch einen vorderen Platz bei dieser Meisterschaft erhoffte, hatten die Startnummer 1 gezogen und mussten als erste aufs Eis.  In diesem Jahr hatte die ISU weltweit zur Vorgabe gemacht, dass der Originaltanz (man kann auch Kurzkür sagen) zu einer Musik der 20er-40er Jahre getanzt werden muss. Christina Beier und Tim Giesen hatten hier eine interessante Persiflage zur Musik von Louis Armstrong und Betty Mittler einstudiert:  Christina spielte einen mondänen Hotelgast und Tim einen Hotelboy. Es „knisterte“ richtig vor Spannung im Oberstdorfer Eislaufstadion, als Beier-Giesen als erstes Paar zum zweiten Wettbewerbstag aufgerufen wurde. Und dann passierte es, bei den Twizzles setzte Tim einmal auf, Experten wussten sofort, dies gibt Punkabzüge. Beier-Giesen bekamen 47,34 Punkte für diesen Wettbewerbsteil – wahrscheinlich 2-3 Punkte zuwenig, um noch ganz oben mitzumischen. Die nun folgenden Berliner Kolbe-Rabe zogen dann auch sofort mit 47,86 Punkten an Beier-Giesen vorbei. Die Sensation geschah dann, als die Dortmunder Hermann-Hermann mit 54,87 Punkten Zhiganshina-Gazsi (50,04 Punkte) überholten und plötzlich ganze vorne lagen.

 

Alle „Eistanzexperten“ im Eisstadion fühlten sich sofort zur lauten Kommentierung berufen: Die einen hatten „schlechtes Kantenlaufen“ (wichtiges Kriterium beim Eistanzen) Nelli Zhiganshina und Alexander Gazsi gesehen und andere meinten, dass Carolina Herrmann mit ihrer schauspielerischen Gestik von kleinen Fehlern im Laufstil ablenken würde.

 

Wenn man vom Aufbruch im deutschen Eislaufsport spricht, dann sicherlich besonders in der Kategorie Eistanzen, denn das hatte es schon lange nicht mehr gegeben, dass vier Eistanzpaare auf so hohem Niveau richtig miteinander kämpften. Auch die verschiedenen Kommentierungen aller tatsächlichen bzw. selbst ernannten Experten bewiesen - wie zu guten alten Zeiten - der deutsche Eislaufsport ist wieder im Aufwind.

 

Alle stellten dann die Frage, ob der Kürwettbewerb am Samstag noch Veränderungen an der Reihenfolge bringen würde.  Christina Beier und Tim Giesen hatten für den Kürwettbewerb wieder die schlechte Startnummer 1 gezogen und mussten somit wieder als erste aufs Eis. Für Ihre im Großen und Ganzen fehlerfrei vorgetragene Kür zur Musik von „Tanz der Vampire“ bekamen Beier-Giesen 75,44 Punkte und schlossen somit mit guten 151,16 Punkten den Wettbewerb ab. Sie konnten aber den Twizzle-Patzer aus dem Originaltanz nicht mehr ausgleichen und blieben damit in der Gesamtwertung auf dem undankbaren vierten Platz. Mit gesamt 153,60 Punkten erreichten Tanja Kolbe und Sascha Rabe aus Berlin den dritten Platz. Die Sensation geschah dann, als die Favoriten Nelli Zhiganshina und Alexander Gazsi aus Berlin und Sachsen, die bereits mehrfach in diesem Jahr mit großem Abstand bei internationalen Wettbewerben vorne gelegen hatten, die schlechteste Bewertung für die technischen Komponenten bekamen und mit gesamt 159,86 Punkten auf dem zweiten Platz landeten. Sieger des Wettbewerbes wurden die Dortmunder Carolina und Daniel Hermann, die nun zur Europameisterschaft in Helsinki fahren dürfen, um dort Deutschland zu repräsentieren.

 

Einen schlechten Beigeschmack bekam dieser Wettbewerb dann noch, als Alexander Gazsi in Presseverlautbarungen von „Skandal“ und „Betrug“ sprach, weil angeblich die Geschwister Hermann nur deshalb vorne platziert worden wären, um eine erste Vorentscheidung für Olympia-2010 zu treffen, weil er selbst mit seiner russischen Partnerin Nelli Zhiganshina dort nicht für Deutschland starten kann und deshalb Carolina und Daniel Hermann „gepusht“ worden seien.

 

Wichtiger ist da wohl der Kommentar von Martin Skotnicky, dem obersten Eistanz-Bundestrainer: „diese vier deutschen Eistanzpaare liegen ganz nahe beieinander, auf einem sehr, sehr hohen Niveau, ich habe sogar weniger Unterschiede ausgemacht, als das Punkteergebnis wiedergibt“.

 

Für den Neusser Tim Giesen war das ein sehr gutes Debüt in der Meisterklasse, zumal er ja erst seit ca. einem ½ Jahr mit Christina Beier trainiert. Man sieht noch kleinere Disharmonien bei schwierigen Eistanzelementen, die man nur durch das tägliche jahrelange Training verbessern kann. Da Christina Beier im Herbst auch noch längere Zeit erkrankt war, fehlte die Erfahrung aus internationalen Wettbewerben, da man diese leider absagen musste. Der erste große Auftritt von Beier-Giesen bei dieser Deutschen Meisterschaft kann aber trotz des undankbaren vierten Platzes als Erfolg gewertet werden.  

 

 

 

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