Ohne Fieber wäre wohl noch mehr drin gewesen

Mendener-Zeitung 15.12.2004: Saskia Brall und Tim Giesen belegen in Oberstdorf bei den Deutschen Meisterschaften einen hervorragenden zweiten Platz. Am vergangenen Wochenende standen für das NRW-Paar Brall/Giesen die Deutschen Nachwuchs-Meisterschaften in Oberstdorf auf dem Programm - und die beiden durften sich fast wie im Märchen fühlen: Im letzten Jahr errangen sie in der Nachwuchsklasse A den Meistertitel, jetzt stellten sie in der altersmäßig höheren B- Stufe ihre Leistung unter Beweis und erreichten den zweiten Platz.

Schon im Vorfeld hatte es jede Menge Aufregung gegeben. Urplötzlich reklamierte die Münchener Zentrale das Fehlen einer Tanzprüfung, die Saskia schon November 2002 absolviert hatte. Ohne die hätte sie gar nicht zu den Vormeisterschaften antreten dürfen und ihre Titel hätten ihr aberkannt werden müssen. In Windeseile wurden die heimischen Videos gesichtet. Tatsächlich gab es ein Video mit Datum der ganzen Prüfung und dem Preisgericht. Per Fax wurden die Protokolle angefordert und der Videobeweis mit auf die Reise genommen. In Oberstdorf angekommen, monierte das Komitee die Anmeldung, versehentlich war Iserlohn als Heimatverein eingetragen worden. Auch hier waren einige Faxe nötig. Zur Krönung kommentierte Sportdirektor Udo Dönsdorf: "Ich weiß nicht, ob euer Start noch klappen wird."

Nachdem dies alles geregelt war, kam der nächste Nackenschlag. In der Nacht bekam Sakia Brall Fieber und weitere Anzeichen eines grippalen Infektes. Mit Doping freien Mitteln ging es trotzdem nach einer Nacht, in der kaum an Schlaf zu denken war, um 7.30 Uhr zum Training aufs Eis. Die beiden Eistanzhoffnungen mussten sich hier schon den Preisrichtern zeigen. Knapp drei Stunden später sollte der Wettkampf beginnen.

Als ersten Pflichttanz präsentierte das "märchenhafte Duo" einen amerikanischen Walzer. Gekonnt und sicher wurde er den Preisrichtern gezeigt. Mit knappem Vorsprung setzten die fünf Preisrichter das NRW-Paar vor die Bayern Ekaterina Zabolotnaia und Julian Wagner. Bis zum zweiten Pflichttanz stieg bei Saskia mit der Spannung auch das Fieber, und aus dem feurigen Tango wurde eine fiebrige Darbietung. Diesmal hatten die Münchner die Nase knapp vorne und beide Paare teilten sich für diesen Tag den ersten Platz.

Anschließend wurden sämtliche Programmpunkte gestrichen. Das Shopping und der Besuch des Weihnachtsmarktes wurden durch Bettruhe ersetzt. Am nächsten Morgen, wo sich andere noch mal herrumdrehen, standen die Zwei wieder um sieben Uhr zum Kürtraining auf dem Eis. Bereits zweieinhalb Stunden später dann die Entscheidung. Doch Saskias Körper hatte sich noch nicht abgekühlt. Es folgte eine Teambesprechung und Telefonkonferenz. Schließlich setzten sich die Läufer durch. Saskia Brall dazu: "Wir versuchen es wenigstens, wenn ich nicht mehr kann, bleiben wir einfach stehen."

Doch dazu kam es nicht. Die Kür zur Matrix-Filmusik wurde flott angegangen. Die Hebungen waren sehr schön und präzise und die Piouretten gekonnt. Doch wer den Tanzstil der beiden kannte, der wusste, dass sie mit angezogener Handbremse liefen: Nur kein Risiko eingehen und das Tempo nicht bis ans Limit hochfahren. Die Schlussphase lief sehr gut ab, und dann war es geschafft. Die Noten der Preisrichter waren verhalten. Man merkte ihnen an, dass sie in dem künstlerischen Teil für die B- Note mehr erwartet hatten. Danach musste das Münchener Nachwuchspaar auf das Eis. Auch sie zeigten eine fehlerfreie Kür, die ihnen bessere Wertungen und den ersten Platz sicherte.

Landestrainer Schulz: "Das bayrische Paar hat sich sehr gut im letzten Jahr entwickelt, ich hoffe auf einen spannenden Vergleich beim Deutschlandpokal in einigen Monaten und hoffe, dass dann alle fit sind." Der Trainer kann mit seinen Schützlingen mehr als zufrieden sein. Obschon im letzten Jahr ein Zentralisierungstrend für Eistanzhochburgen wie Berlin bevorzugt wurde, waren die Berliner mit keinem einzigen Nachwuchspaar anwesend. Man konzentriert sich wohl nur auf die angehende Meisterklasse. Vitali Schulz dagegen reiste mit fünf Nachwuchs- und einem Juniorenpaar zur Deutschen Meisterschaft. Jetzt muss das NRW-Paar noch an drei Märchenveranstaltungen am Wochenende in Neuss teilnehmen. Anfang des Jahres beginnen die Vorbereitungen auf die nächsten internationalen Auftritte, eventuell in Danzig und Tallin.

Das Trainergespann Vitali Schulz und Dr. Rostislav Sinitsyn überlegt ernsthaft, ob sie Saskia und Tim da nicht schon als Junioren starten lassen. Die Regelung über die Prüfungen gibt es nämlich nur in Deutschland und sonst nirgendwo im Dachverband der ISU.

 

 

 

 

 

 

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