Erste Versuche mit Schlittschuhen vom Flohmarkt

10.4.2004 WESTFALENPOST: Wenn sie quer durch das Land fährt, um ihre Tochter Saskia zum Training oder zu Wettkämpfen zu begleiten, dann seufzt Riitta Brall schon mal und fragt sich: ´Warum bin ich damals nur mit ihr zum öffentlichen Eislaufen gegangen?´ Riitta Brall ist die Mutter von Saskia Brall, der Eistanz-Partnerin von Tim Giesen.

Die gebürtige Finnin räumt ein, dass sie schon mal Motivationsdefizite beschleichen, wenn man mal eben fast zwei Stunden bis Netphen fahren muss, damit Saskia Brall mit Eistanz-Partner Tim Giesen aus Neuss überhaupt auf Eis trainieren kann. Die 13-Jährige dagegen stellt sich gar nicht erst die Frage, ob sie Lust auf die anstrengenden Einheiten habe. "Daran gewöhnt man sich. Es macht doch Spaß", sagt die Walburgis-Schülerin, die ihre Laufbahn schon mit deutschen Meisterschaften und vielen weiteren Topplatzierungen schmückte.

Frühe Begeisterung Saskia Brall ging noch nicht in den Kindergarten, da schaute sie schon fasziniert fern, wenn Welt- oder Europameisterschaften der Eiskunstläufer übertragen wurden. Für die junge Dame stand fest: "Mama, das möchte ich auch mal machen." Es folgte das ominöse Eislaufen am Iserlohner Seilersee - die Tochter war vollends gefesselt. "Die ersten Schlittschuhe haben wir für fünf Mark auf dem Flohmarkt gekauft", erinnert sich Mutter Riitta Brall. Das aktuelle Modell kostet 630 Euro - und ist schon 170 Euro billiger als das nun zerschlissene Vorgänger-Paar.

Nach einigen Erfolgen im Einzel erfolgte der Wechsel zu den Eistänzern. Die werden in der Szene mitunter belächelt, weil die Bewertung noch subjektiver scheint als in den Wettbewerben, in denen immerhin Sprünge gezählt werden können. "Die meisten Eiskunstläufer glauben gar nicht, dass Eistanzen Spaß macht", sagt Saskia Brall und schüttelt den Kopf. Die ersten Auftritte mit Tim Giesen ("Wir kommen ganz gut miteinander aus!") machten Appetit auf mehr - und aus der Mendenerin in der Nachwuchsklasse eine deutsche Meisterin.

Dafür wird fast täglich hart gearbeitet. Und wenn es sein muss, werden halt wie während der Eiskunstlauf-WM in Dortmund andere Eishallen als im Landesleistungszentrum gebucht, um Kontinuität zu wahren. Mit Rang zwei beim Deutschland-Pokal endete nun offiziell die Saison für das junge Eistanz-Paar. "Viele haben uns gesagt, dass sie uns besser gesehen hätten", erzählt Saskia Brall. Das Urteil der Preisrichter nahmen Brall/Giesen jedoch so auf, wie sich das gehört - sportlich fair.

Nun wartet aber nicht wirklich eine Pause: Kassetten der WM werden gesichtet, andere Schrittsequenzen und Hebungen probiert. Eine neue Kür-Musik muss gefunden werden. "Meine Vorschläge haben noch keine Gnade gefunden", sagt Mama Riitta schmunzelnd. Das Thema muss beiden Sportlern gefallen - und dem Trainer. Danach geht es an die Umsetzung mit dem Choreographen.

Einen Schub hat natürlich der Besuch bei der WM bewirkt. Unter dem Bulgaren Maxim Stawicki, der mit seiner Partnerin Eistanz-Silber gewann, haben Saskia Brall und Tim Giesen schon einmal in Sofia geübt. "Zu viel Konditionstraining", erinnert sich die Schülerin der achten Klasse lachend.

Interessanter Ausgleich Schule, Eistanz-Training - Zeit für Freizeit-Beschäftigungen, die andere 13-Jährige begeistern, bleibt da kaum. Immerhin sorgen Konfirmanden-Unterricht und eine Malschule - auch da ist sie talentiert - für Abwechslung.

Saskia Brall stört die Intensität ihres Sports nicht nur nicht, sie forciert ihre Arbeit sogar noch. Vielleicht wird ja so der Traum wahr, selbst einmal bei einer großen Meisterschaft starten zu können. Bis dahin wird weiter am guten Kantenlaufen und der Schnelligkeit gefeilt.

Wenn die Schlittschuhe irgendwann doch mal an den berühmten Nagel wandern, weiß die junge Mendenerin schon, wie sie dem Eistanzen erhalten bleiben könnte: "Als Preisrichterin. Dann kann ich mal die Seiten wechseln."

 

 

 

 

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